Walther Streffer

Luftblasenspiele von Delfinen

Nr 240 | Dezember 2019

Auf der Hawaii-Insel Oahu liegt eine einzigartige Delfin-Forschungsstation. Hier studieren Wissenschaftler (ohne Dressur) das zwanglose Verhalten der Delfine. Diese Tiere kommen regelmäßig zum Luftholen aus dem Wasser und vollführen dabei manchmal auch über­mütig hohe Sprünge. Eine faszinierende und für die Delfine besonders vergnügliche Be­tätigung ist das Spiel unter Wasser mit Luftblasen. Sie erzeugen so in Wasserwirbeln bewegliche Ringe und Bänder. Das Geschick und der Einfallsreichtum, mit dem sie dabei selbst erzeugte Luftformen nutzen, sind erstaunlich. Die Delfine lassen die zum Teil recht komplizierten Luftgebilde auf verschiedene Weise entstehen: Eine einfache Form ist, die Luft aus dem Atemloch so auszublasen, dass sich kleine Ringe bilden, die sich beim Aufsteigen erweitern. Es können auch zwei solcher Kringel rasch nacheinander produziert werden, die sich anschließend vereinen. Eine fortgeschrittene Methode ist, Luftringe seitwärts oder sogar schräg abwärts gleiten zu lassen; dazu wendet sich ein rasch schwimmendes Tier kurz auf die Seite und vollführt mit der senkrecht stehenden Schwanzflosse (auch Fluke genannt) einen kräftigen Schlag. Dadurch erzeugt es einen Wasserwirbel, der – je nach Flukenstellung und Schlagrichtung – horizontal oder schräg nach unten wandert. Anschließend wendet sich der Delfin und bläst in den Wirbel Luft ein, die sich wegen des Soges darin sogleich ringförmig verteilt. Diese recht großen Luftringe animieren dann die Delfine zum Hindurchschwimmen. Eine Variante dieses Spiels ist, wenn ein Delfin ein kleines Ringsegment abtrennt und dieses spielerisch durchs Wasser steuert. Virtuoser wird es, wenn ein Delfin sich senkrecht kopfunter dreht und mit der Fluke einen abwärts ziehenden Wirbel schlägt und diesen mit Luft füllt. Ein so entstandener kleiner Ring kann durch wiederholtes Einblasen vergrößert werden. Ferner kommt es vor, dass ein Delfin spiralig gedrehte Luftbänder oder einen Schwall von Luftperlen erzeugt und sich anschließend wohlig im sprudelnden Wasser dreht. Von zwei Delfinen wurde bekannt, dass sie sich nebeneinander auf den Boden legten und durch Ausblasen von Luft immer wieder große Kringel erzeugten, sowohl gleichzeitig als auch im Wechsel mit einer Sekunde Abstand.
Delfine beobachten einander oft bei diesem Zeitvertreib, ahmen ihre Artgenossen nach und vervollkommnen so das Spiel. Sie sind kluge und verspielte Tiere und scheinen, neben Menschenaffen, Elefanten und Rabenvögeln, die einzigen Tiere zu sein, die auch deutliche Anzeichen von Selbstwahrnehmung aufweisen, was durch Spiegeltests nachge­wiesen werden konnte. Die Experimentierfreudigkeit und ihre Reaktionen auf das Verhalten von Artgenossen können uns viel über das Wesen der tierischen Intelligenz lehren.
Als prinzipielle Unterscheidungsmerkmale zwischen Mensch und Tier galten im letzten Jahrhundert – vieles davon wurde im Lauf des Jahres hier ja beschrieben – vor allem: Werkzeuggebrauch, einsichtiges Handeln, zielgerichtetes Planen, Gedächtnis, die Fähigkeit, sich in Artgenossen hineinzuversetzen, das Lösen komplexer Versuchsanordnungen, Kooperation und Empathie, Gefühl oder Bewusstsein für die Zeit (also über die Gegenwart hinaus), viel­fältige Kommunikation, Sprachverständnis und Selbstwahrnehmung. Etliche Tiere haben in verschiedenen Bereichen, zumindest in Ansätzen, diese Grenzen zur Menschenwelt überschritten – oder besser gesagt: Wir können die Übergänge heute deutlicher wahrnehmen. Auch die Ansicht, Tiere hätten kein Gedächtnis, wurde korrigiert und zudem von einem Bonobo auf recht originelle Weise widerlegt, denn das Bonobomännchen Kanzi erinnerte eines Tages mittels Symbolsprache seine Betreuerin daran, dass sie vergessen hatte, ihm eine Banane mitzubringen!